Chronik des stillen Sandes, Band III, Archiv von Arrakeen – aufgezeichnet im Jahr 10.197 AG
„Nicht alle, die in der Wüste leben, beten. Manche schwören.“
– Alte Fremen-Weisheit
Kapitel I: Der Ruf der Stille
Es begann in einer Zeit des Lärms.
Die Schlachtfelder Arrakis bebten unter den Schritten der Gläubigen. Der Krieg hatte die Fremen aus den Höhlen geholt und sie zu Eroberern gemacht. Der Ruf von Muad’Dib hallte über den Wüstenwind, und seine Anhänger zogen aus, um die Galaxis zu unterwerfen. Doch nicht jeder, der unter der Sonne Arrakis geboren wurde, sah in diesem Krieg das Licht. Einige sahen nur Schatten – lange, dunkle Schatten, geworfen vom Fanatismus und von vergossenem Blut.
Unter diesen Zweiflern war Tariq al’Dhari, ein Naib aus einem kleinen, längst vergessenen Sietch. Er hatte unter Muad’Dib gedient, hatte die Sardaukar in Salusa niedergestreckt, hatte den Krieg gesehen – und was danach kam. Er sah, wie Kinder mit Klingen beteten, wie Priester mit Gewehren predigten.
Als der Krieg endete, verschwand Tariq.
Man sagt, er wanderte sieben Jahre durch die Tiefwüste. Ohne Wasser. Ohne Ziel. Nur mit seinen Gedanken und dem Geräusch des Windes, der durch das Heilige Becken von Sihaya flüsterte.
Dort, in den tiefsten Schatten der Berge, fand er eine Höhle – und in ihr: Frieden. Er nannte diesen Ort Sihaya’s Schwur.
Kapitel II: Der Kodex der Treue
Tariq kehrte zurück, aber nicht als Krieger. Er war nun ein Gründer. Ein Lehrer.
Er sprach nicht gegen Muad’Dib. Doch er sagte: „Ein Schwert ist kein Gebet. Und ein Glaube ohne Gewissen ist nur ein weiterer Käfig.“
Nach und nach sammelten sich andere um ihn – Überlebende des Krieges, verlorene Fremen, Krieger ohne Stamm. Sie alle fanden sich im Ruf nach etwas Altem, Reinem: Ehre. Loyalität. Wahrheit im Schatten.
Gemeinsam verfassten sie den Kodex von Sihaya:
Wir dienen nicht dem Thron, sondern dem Wüstenrecht.
Unser Schwur gilt nicht den Starken, sondern den Würdigen.
Wir schützen die Stille – nicht weil wir schweigen, sondern weil wir hören.
So entstand die Gilde der Schatten von Sihaya.
Nicht als Staat. Nicht als Sekte. Als Orden.
Ein ritterlicher Bund in einer Welt aus Sand.
Kapitel III: Die sieben Prüfungen
Die ersten sieben, die Tariq zu Rittern ernannte, wurden nicht durch Blut gewählt, sondern durch Prüfung:
Die Prüfung des Durstes – drei Tage ohne Wasser und ohne Angst.
Die Prüfung der Klinge – nicht im Kampf, sondern im Verzicht.
Die Prüfung des Schweigens – ein Jahr ohne gesprochenes Wort.
Die Prüfung der Loyalität – durch Verrat und Vergebung.
Die Prüfung des Weges – allein durch das Herz der Wüste.
Die Prüfung der Erinnerung – das Leben eines Feindes ehren.
Die Prüfung des Schattens – allein in der Tiefe der Sietchhöhlen.
Sie bestanden. Und sie wurden die Sieben Schatten, deren Namen bis heute in den Höhlenwänden von Sihaya’s Schwur eingeritzt sind.
Kapitel IV: Der Schwur im Wind
Die Gilde wuchs – langsam, im Stillen. Sie kämpften nicht in großen Armeen, sondern erschienen dort, wo Ehre verloren ging: Bei aufständischen Fremen, bei räuberischen Harkonnen-Überbleibseln, bei manipulierten Siedlungen des Imperiums.
Niemand bezahlte sie. Niemand rief sie.
Und doch kamen sie. Still, wie der Wind vor einem Sandsturm.
Sie hinterließen keine Spuren – außer Gerechtigkeit.
Man nannte sie:
Die Unsichtbaren Hüter
Die Schattenritter
Die Eidschwörer von Sihaya
Und während sich das politische Gefüge auf Arrakis veränderte – blieb der Orden. Getreu seinem Kodex, fern von Macht und Ruhm, tief im Sand verborgen.